Türkei 01.01. - 11.01.2023

Ohje, auf der OSM-Karte sind die Einbahnstraßen in Birecik nicht korrekt eingetragen und so verzetteln wir uns erst mal in den Gassen der Stadt, bis wir endlich die Schnellstraße, denn die andere ist ja gesperrt, nach Halfeti erreichen. Von der Neustadt fahren wir noch ca. 10 km kurvig hinab nach Alt-Halfeti, das sehr malerisch am Euphrat liegt. In unserem Reiseführer steht, dass es hier sehr touristisch sei und man kaum wisse, wohin mit den vielen Reisebussen. Da haben wir am ersten Januar natürlich kein Problem. Südlich des kleinen Hafens wird gerade an der Uferstraße gearbeitet und da finden wir bei riesigen Steinblöcken einen sonnigen Platz. Klar gibt es viele Restaurants im Ort, auch Souvenirläden, aber die meisten haben um die Zeit geschlossen. Obwohl schon einige inländische Ausflügler da sind, von denen die meisten einen Bootstrip auf dem Euphrat nach Rumkale mit einer alten Festung machen. Aber da ich es mit Wasserfahrzeugen so gar nicht habe und mit lauter, türkischer Partymusik gleich noch weniger, machen wir eine ausgiebige Wanderung dorthin, nur eben am anderen Ufer. Interessant ist die kleine Bootswerft mitten auf dem Weg und weit weg vom Wasser. Und wir finden auch noch zwei Stachelschweinborsten! Tatsächlich sagt Google, dass sich das indische Weißschwanz-Stachelschwein hier noch heimisch fühlt. Am nächsten Tag laufen wir in die andere Richtung zu einem teils überfluteten und dann aufgegebenen Dorf. Es hat eine wunderschöne Lage am Flussufer, aber es stehen nur mehr die Mauern, die Gärten sind zugewuchert, aber die Felder ringsum werden noch fleißig bearbeitet. In den Bergen nisten Raubvögel, sie ziehen hoch oben ihre Kreise und wir können sie nicht bestimmen. 

Hier gefällt es uns total gut, aber leider müssen wir nun langsam mit unserer Fahrt Richtung Nordwesten beginnen. Wir fahren durch bis Siverek, eine relativ häßliche Stadt mit vielen halbfertigen Hochhäusern und noch mehr Stoppelbränden außenrum. Es stinkt bestialisch nach Rauch, aber Gott sei Dank kommt der Wind von Westen, so dass unser angepeilter Übernachtungsplatz an einem Picknickplatz rauchfrei ist. Der Parkwächter holt uns gleich zum Tee und der ist sehr stark, was mein Magen wohl nicht so verträgt. Vielleicht ist aber auch das Glas nicht so ganz sauber gewesen. Auf jeden Fall habe ich am nächsten Tag Bauchweh und Fieber! Da nervt es mich besonders, als wir in den engen und wuseligen Gassen auf der Suche nach einem Migros-Markt herumirren, schlussendlich keinen Parkplatz finden und deshalb weiter an unzähligen Polizeiposten - die uns aber alle ignorieren – zu einem Stausee fahren, wo wir auf einem zugemüllten, aber schön gelegenen Parkplatz übernachten. Ich verziehe mich sofort mit heißem Holundersirup und Wärmflasche ins Bett.

Das Fieber ist weg und nachdem sich der Nebel verzieht und die Sonne rauskommt befinden wir uns für ein paar Kilometer im türkischen „winterwonderland“: Die Gräser, Büsche, Bäume und Stromleitungen sind dick mit Reif überzogen und das sieht fantastisch aus! In Elaziĝ dann endlich ein Großeinkauf beim Migros, denn nur da gibt es einen reinen Orangensaft und den brauch ich einfach zum Frühstück! Wir bewegen uns immer so auf 1000 -1200 m in den Bergen, es ist kalt und wir haben eine wahnsinnig klare Sicht auf die Berge rundherum. Am nächsten großen Stausee mit viel Fischzucht finden wir einen schönen, sonnigen Stellplatz, wo wir auch mal wieder einen längeren Spaziergang machen können. Diese Fahrtage nerven etwas, da wir uns kaum bewegen, denn der Tag ist kurz und wenn die Sonne untergegangen ist, wird es zapfig kalt.

Über eine einspurige Passstraße gelangen wir wieder an den Euphrat, der sich wie ein türkises Band mit vielen Schlaufen durch die Berge zieht. Wir können uns gar nicht satt sehen! Ein Stück an einer Kiesstraße hinauf finden wir einen zwar windigen, aber dafür aussichtsreichen Schlafplatz. Als wir gerade zu Abend essen und ich zufällig zum Dachfenster rauf schaue, sehe ich nichts! Keine Sterne, sondern eine „helle“ Dunkelheit! Es hat geschneit. Wir beraten uns kurz und beschließen nach Essen und Abspülen noch die 7 km bis zur nächsten Ortschaft hinunter zu fahren, denn wir wissen nicht, ob hier oben geräumt wird. Bei dichtem Schneetreiben fahren wir die steile Strecke runter bis zu einem Brunnenplatz. 

Am nächsten Morgen scheint die Sonne, oben ist alles weiß, aber hier ist der Schnee schon wieder geschmolzen und wir laufen in das kleine Bergdorf Kemaliye. Es gibt viele alte und teils auch restaurierte Konaks, jede Menge Holzhäuser mit Erkern und Balkonen, einen Marktplatz mit kleinen Läden, wo es viele Trockenfrüchte, Nüsse und Souvenirs gibt, aber auch Metzger, Bäcker und Gemüsehändler. Mit einem Bus voller türkischer Touristen stiefeln wir hinauf zu Moscheen und einer alten Mühle. Manche lassen sich auch von einem Dolmuş rauffahren oder abholen, so dass wir bald alleine sind und wieder in Ruhe durchs schöne Dorf gehen können. Ein Geschmackserlebnis ist die getrocknete Kaki, die uns ein Händler schenkt. Sie schaut nicht appetitlich aus, außen grau-braun und ledrig, aber innen knallorange und schmeckt angenehm süß. Zwei Stunden später wieder, Gott sei Dank am Rande der Stadt Ili, reißt uns ein Kielriemen. Und obwohl wir bestimmt acht verschiedene dabei haben, passt keiner. Ein hilfsbereiter Türke fährt mit Wolfgang in die Stadt und er bekommt einen passenden Keilriemen, aber mit Einbau und Schuhe waschen, denn es ist hier sehr matschig, dauert es ca. zwei Stunden bis wir weiterfahren können. Die Straße ist gut und zweispurig, doch das ändert sich leider. Es liegen noch zwei Pässe mit knapp 1900 m vor uns, die nunmehr einspurige Straße ist schneebedeckt und wir kommen nicht mehr so gut voran. Normalerweise würden wir hier oben übernachten um dann ohne Druck weiterzufahren, aber leider hat sich unsere Heizung wieder verabschiedet und so ist das hier oben keine Option. Es ist fast schon dunkel, als es einen Kilometer vor Refahiye passiert. Wir müssen links abbiegen, Wolfgang bremst und es passiert nichts. Wir realisieren, dass es Blitzeis hat und müssen machtlos zusehen, wie wir uns auf den hohen Bordstein zu bewegen. Kurz vor dem Zusammenprall gelingt es Wolfgang das Heck zu drehen und wir drehen uns einmal um die eigene Achse, bis wir auf der anderen Straßenseite zum Stehen kommen. Puh, der Schreck sitzt uns erst mal in den Gliedern. Ich kann auch wieder zum Schreien aufhören. Wie gut, dass sonst kein Auto unterwegs ist. Schweigsam und sehr vorsichtig fahren wir das letzte Stück zum Parkplatz, wo wir eine sehr kalte Nacht verbringen.

Der Tag geht schon wieder gut bzw. schlecht los. Der Motor läuft nicht richtig und schon nach wenigen Kilometern müssen wir den Vorfilter reinigen und danach dauert es ca. eine Stunde, bis er wieder schneller als 40-45 km/h läuft. Das ist total gefährlich, denn die vielen Lkws überholen uns ohne Rücksicht auf Gegenverkehr. Momentan geht mir alles auf den Geist, ich sitze total durchgefroren von der Nacht mit Decke, Daunenjacke und Thermoskanne mit Tee im Auto und dann geht auch die Fahrerhausheizung bei einem luftgekühlten Motor nur sehr mäßig. Wenigstens können wir in Erzincan beim Migros, mittlerweile mein Lieblingsladen, einen Heizlüfter ergattern. Mal schauen, was der bringt. Tja, die türkischen Berge hören nicht auf. Der Schnee wird mehr und die Pässe werden höher. Wir winden uns durch tolle Landschaft immer weiter hinauf. Es schneit, aber wir finden keinen Übernachtungsplatz, also weiter bis in die nächste Stadt Bayburt, wo wir im dunkeln an einem Park ankommen. Den Lüfter können wir maximal auf Stufe 1 laufen lassen, denn der saugt schon sehr an den Batterien. Aber mit Kochen bringen wir es dann doch auf wohlige 15° innen.

Die -10° in der Nacht haben die Fenster auch innen vereist, aber das Wasser läuft noch und so tauen unsere Nasen auch bald auf. Vor Toilettenbenutzung ist es angebracht den Heizlüfter mal auf die Klobrille zu richten! Als wir aus der Kabine raus wollen, merken wir, dass das Schloss der Türe zugefroren ist und erst mal aufgetaut werden muss. Schön langsam reicht es uns. Hoffentlich erreichen wir heute das schwarze Meer, da ist es wärmer! Wolfgangs favorisierte Strecke direkt nach Norden konnte ich ihm ausreden. Sie ist zwar 80 km kürzer als die von mir ausgesuchte, aber ist wohl laut Satellitenansicht nur ein besserer Ziegenpfad und geht auf 2300 m rauf und da wurde bestimmt nicht geräumt. Das brauche ich heute nicht. Murrend fahren wir zwar auch einspurig Richtung Westen nach Ispir, ein abgelegenes Bergstädtchen. Aber die Strecke ist traumhaft schön, immer entlang eines mal mehr oder weniger zugefrorenen Flusses. Wir kommen durch winzige Orte, die Menschen sehen uns an wie Außerirdische, es verirren sich wohl nicht viele Touristen hierher. Es ist kurvig, eng und steil, aber ab Ispir erreichen wir eine gute Straße. Die über 3000 m hohen Berge sind tief verschneit, es gibt unzählige Ferienhäuser an den Hängen, also für den Sommer und meist sehr einfach, Moscheen im Schnee und nigelnagelneue Tüneli! Also bis zu 14 km lange Tunnel, die auch noch eine interessante Beleuchtung haben! Unsere Stimmung steigt, denn die Aussicht auf eine heiße Dusche und ein warmes Auto heute Abend, wärmt schon an sich. Der Schnee auf der Nordseite reicht bis auf fast 600 m runter und geht fast übergangslos in Teeplantagen über! Die Türkei ist einfach unglaublich und sie ist schon seit einiger Zeit zu einem meiner Lieblingsländer geworden. Wir erreichen das schwarze Meer kurz vor Rize und brausen auf der Küstenstraße noch bis Ardeşen, wo wir uns auf dem lange ersehnten Danzi Camping installieren und zumindest mit Strom erst mal die Wohnkabine aufwärmen können.

Hier verbringen wir die letzten drei Tage in der Türkei. Wolfgang repariert mal wieder erfolgreich die Heizung und hat diesmal einen starken Mann, der ihm beim Herausheben des rechten Wassertanks hilft. Nach dem Ausbrennen des Brenners legen wir ihn vorsichtshalber noch in Cola ein, soll ja recht ätzend sein! Die Abende verbringen wir zum ersten Mal auf dieser Reise mit anderen Langzeitreisenden: Sarah und Wolfi mit einem kleinen Steyr aus der Steiermark, die gerade von Georgien kommen, Franzi und Jan aus der Schweiz, die wir vor fünf Wochen schon in Kappadokien getroffen haben und Stefan, ein Radreisender ebenfalls aus der Schweiz, der auch gerade aus Georgien kommt und nun auf dem Weg zum Nordkap ist! Eine sehr nette und interessante Truppe und es ist für alle eine gute Möglichkeit sich auszutauschen und sich mal ohne Googleübersetzer zu unterhalten. Yussuf, der Campingplatzbetreiber ist auch schon ganz schön rumgekommen. Afrika und Südamerika und bald geht es für ihn nach Ghana, denn er verlegt für eine holländische Firma Kunststoffrasen in Stadien. Der Campingplatz liegt schön am Fluss, hat sehr saubere Sanitäranlagen und eine voll ausgestattete Küche inklusive Waschmaschine und Trockner, was wir alle miteinander ausnützen!

 

 

Am 12. Januar verabschieden wir uns von allen - zu Yussuf kommen wir bestimmt irgendwann wieder - und von der Türkei. Ein wundervolles Land mit herrlichen Landschaften, viel Tee, wenig Bier und offenen, gastfreundlichen Menschen. Das haben wir so gar nicht erwartet!

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Kommentare: 3
  • #1

    Hans-Peter Mönckert (Montag, 16 Januar 2023 18:58)

    wieder mal einen toller Reisebericht von euch .

  • #2

    Rita Binder (Montag, 16 Januar 2023 23:19)

    Sehr schöne Bilder und die Türkei,ja ist ein tolles Land.

  • #3

    Rita & Barni (Sonntag, 29 Januar 2023 18:06)

    Rundum abenteuerliche Erlebnisse - wie immer eine spannende Berichterstattung zum Schmunzeln, DANKE!
    Liebe Grüsse aus Griechenland