Türkei 07.12. - 31.12.2022

Nach nur wenigen Kilometern, vorbei am verschneiten Hasan Daĝi mit 3268 m, erreichen wir die Ihlara-Schlucht. Es wird gerne mit dem Grand Canyon der Türkei beworben. Am nördlichen Ende finden wir bei dem kleinen Dorf Yaprakhisar eine schöne Wiese mit nicht allzu viel Müll und einen tollen Sicht auf die kappadokischen Tuff-Zwergenhäuser. Wir wandern noch in der Schlucht Richtung Süden, stiefeln in Felswohnungen herum, sehen uns eine sehr gut erhaltene Seldschuken-Moschee in der Tuffsteinwand an und bei einer ausgehöhlten Kirche haben wir die Wahl zwischen diversen rausgemeißelten Gräbern. Am Abend gibt es bei Murat, dem Brückenwirt, einen Tisch voller Meze (türkische Vorspeisen), Lamm vom Grill und hurra, Bier und Rotwein.

Für den Schluchtabschnitt zwischen Belisırma und Ihlara wird Eintritt verlangt, dafür sind die Wege aber auch frisch geharkt und von jeglichem Laub befreit. Es gibt auch überall Mülleimer, rustikal zusammengezimmerte Sitzgelegenheiten und so circa in der Mitte einen Teegarten, dessen Pavillons im Fluss stehen und über Stege erreichbar sind. Wir schauen uns sehr viele Felsenkirchen aus dem 12./13. Jh. an – immer schön steil rauf und wieder runter – mit mehr oder weniger gut erhaltenen Fresken. Überall wo die früheren Besucher hinkonnten, mussten sie leider alles verkritzeln. Jammerschade! Irgendwann ist es genug mit den Kirchen zumal hier außer uns auch noch viele Bustouristen herumstolpern und wir steuern den Ausgang an, trinken dort noch einen Tee zu Touristenabzockpreisen und übernachten noch mal auf der Wiese mit unserem privaten Wachhund.

Weiter geht es zum nächsten Highlight ins Herz Kappadokiens mit seiner bizarren Tufflandschaft. In Uçhisar laufen wir durch die Gassen des Burgfelsens, wo sich ein Hotel und Restaurant an das andere drängt. Außer dem Felsen erinnert nichts mehr an unsere Reise vor 34 Jahren, als wir mit Sebastian eine Backpackertour durch die Türkei machten. Damals wurden auf den Dächern der Altstadt Aprikosen getrocknet, die Einheimischen sind auf dem Esel von A nach B und es gab vielleicht eine Handvoll Pensionen. Von den Wohnkegeln sind nun die meisten unbewohnt, aber wir entdecken ein altes Ehepaar, das gerade fleißig den Garten gekehrt hat und ab und an sehen wir auch eine Satellitenschüssel aus einem Fenster hängen. Auf einem Plateau über dem Love Valley bei Göreme ist ein optimaler Platz für den Hiasl. Alle paar Minuten kommt entweder eine Reitergruppe vorbei oder Quadfahrer oder quietschbunte Landys, die auch mal „Offroad“ fahren wollen. Hmm, es ist eine ganz normale Kiesstraße. Beim Spaziergang hinunter ins Love Valley ist die Ähnlichkeit der hochaufragenden Felsformationen mit übergroßen Phalli nicht zu übersehen!

Die Nacht war kurz, denn beim ersten Tageslicht sind wir schon auf den Beinen um ja nichts vom Ballonspektakel zu verpassen. Und es hat sich gelohnt! Es ist einfach fantastisch dutzende Ballone über und neben uns zu sehen, das Zischen der Zünder zu hören und den Mitfahrern zuzuwinken. So gegen neun Uhr ist dann auch der letzte Ballon gelandet, bei manchen setzt der Pilot direkt auf dem Hänger des Pick-ups auf und wird dann aus dem Feld gezogen oder zu einer Wiese um den Ballon ohne Gefahr zusammenfallen zu lassen. Jetzt können wir endlich frühstücken! Bei einer ausgiebigen Runde über Berg und Tal haben wir ein Schweizer Paar getroffen, die mit ihrem Truck als Lichtkünstler auf Welttournee unterwegs sind. 

Göreme selbst hat uns gar nicht gefallen, hier ist Touristenspektakel pur. Wir kaufen nur ein paar Lebensmittel und spazieren dann wieder zum Hiasl rauf. Was anderes ist der nördlich gelegene Ort Avanos, von dem wir total angetan sind. In einer Wäscherei geben wir eine große Tasche Schmutzwäsche ab und danach haben wir ein paar Stunden Zeit für das Städtchen. Eine schöne Uferpromenade am gleichnamigen Fluss Avanos, mit über 1300 km übrigens der längste der Türkei, führt uns rüber in die Altstadt. Klar gibt es hier auch ein paar wenige Souvenirläden, aber auch viele Töpfereien. Ein junger Mann erklärt mir, wie ohne künstliche Glasuren zu verschiedenen Farben seiner Tonerzeugnisse kommt, zeigt mir verschiedene tönerne Musikinstrumente - wie große Vasen, aber meist mit zwei Öffnungen – und spielt mir auch gleich was vor. Das ist ziemlich gut! Auch die vielen kleinen Boutiquehotels sind hübsch hergerichtet. Und dann entdecken wir in einem kleinen Café eine chromblitzende, italienische Kaffeemaschine! Hurra, endlich mal einen Cappuccino außer Haus! Und gut ist er auch noch, allerdings einen Stern Abzug, weil er in Pappbechern daherkommt.

Über Ürgüp, auch total vermarktet, fahren wir nun raus dem Tuffsteingebiet. Über schmale und steile Straßen geht es durch dünnbesiedeltes Gebiet mit viel Wein- und Obstanbau. Die Dörfer machen aber einen ärmlichen Eindruck und man sieht kaum Leute. In Incesu halten wir um in der alten Karawanserei einen Tee zu trinken. Sehr angenehm weg vom Lärm und Hektik der Stadt auf einer Wiese in der Sonne im Teegarten innerhalb des alten Han. Wir wollen die 1,5-Millionen Stadt Kayseri umfahren, d. h. die Straßen haben nun die unterste Kategorie, dafür sehen wir aber auch mehr als auf vierspurigen Boulevards durch die Stadt. Wir schrauben uns hinauf bis auf knapp 2200 m, bis zu einem Riesenpicknickplatz beim Skigebiet des Erciyes Daĝi, ein Vulkan mit 3917 m. Trotz der Höhe gibt es nur fleckenweise Schnee, wir schätzen, dass die geschlossenen Schneedecke erst ab ca. 2500 m beginnt. Das Skigebiet umfasst mehrere Gondelbahnen, viele moderne Sessellifte und wenige Schlepplifte und kann auf jeden Fall mit einem größeren Skizirkus in den Alpen mithalten.

Petrus, oder wie auch immer der türkische Wettermacher heißt, versaut uns am nächsten Morgen eine Wanderung. Es ist saukalt und Schneeregen. Da wir es nicht riskieren wollen, dass die Straße vereist, brechen wir gleich nach dem Frühstück auf und fahren langsam die ganzen Höhenmeter wieder hinab. Den ganzen Tag ist es neblig und regnerisch, wir können die schöne Gebirgslandschaft nur erahnen. Leider finden wir auch keinen geeigneten Übernachtungsplatz, aber in Elbistan ist dann einer bei - wie schon oft - einem Picknickgelände. Richtig schön hier, mit vielen überdachten Sitzgelegenheiten, Brunnen, Mülleimern, Kinderspielplatz, Kiosken, die jetzt natürlich alle geschlossen sind und Teegärten und Restaurants. Auch zu, aber wir haben ja alles dabei.

Weiter geht es durch unzählige Aprikosenbaumplantagen - die Türkei beherrscht mit ca. 90% den weltweiten Handel mit getrockneten Aprikosen – nach Malatya, eine ziemlich junge, moderne Stadt. Wir freuen uns jetzt erst mal beim Tanken: 1,035€/l Diesel. Im Malatya Park Shoppingcenter kaufen wir ein und stocken vor allem im Migros unsere Wein- und Biervorräte auf. Nach einer Übernachtung bei einem Park mit dem obligatorischem Tee und einer Hand und Fuß Unterhaltung mit Hakan, dem Parkwächter, schauen wir uns die Ausgrabungsstätte Arslantepe an. Die Statuen hier sind natürlich Kopien, die Originale stehen in Ankara im Museum, aber mir gefallen sie trotzdem! Ein sehr kundiger Security-Mann führt uns mit Google-Übersetzung durch die Ausgrabung und auch in eigentlich abgesperrte Bereiche, so dass wir originale 5000 Jahre alte Wandmalereien bestaunen können und uns auf dem ebenso alten Thron wie Königs fühlen. Im oberen Bereich des Hügels wurden ca. 50 Kinderskelette gefunden, die aber wohl aus der Pestzeit stammen. Die Schädel stecken zum Teil noch im Erdreich. 

Und nun fahren wir endlich hinauf durch eine wilde Gebirgslandschaft und am Schluss über zahlreiche steile Serpentinen hinauf zum Götterberg, dem Nemrut Daĝi. Dort bleiben wir drei Tage auf ca. 2000 m, der Wetterbericht ist gut, es sind keine Schneefälle angekündigt. Wir laufen hinauf auf die Ostterrasse mit den in Reih und Glied angeordneten riesigen Götterköpfen von Zeus, Herakles, Apollo, dem Gottkönig Antiochos, dem Tyche der Kommagene und die göttlichen Löwen und Adler. Die Unterbauten dazu stehen noch am Fuß des Grabhügels, der größte weltweit, den sich vor gut 2000 Jahren König Antiochos für sich selbst bauen ließ. Wir sind ganz alleine hier oben, es ist kalt und windig, der Himmel ist strahlend blau. Im Süden erkennt man gut den Atatürk-Stausee und ringsum nur karge Berge mit grünen Oasen und winzigen Ortschaften. Es ist einfach klasse! Ein Pfad führt hinüber zur Westterrasse mit den gleich Riesenköpfen, nur liegen sie hier kreuz und quer, sind aber dafür besser erhalten. Und weil es so schön ist, laufen wir gleich noch rum. Da haben wir wirklich Glück, denn normalerweise liegt um diese Jahreszeit schon viel Schnee, wie uns auch der Besitzer des Hotels am Parkplatz bestätigt. Wir gönnen uns zwei Urlaubstage , können in der Wärme draußen sitzen und Kaffeetrinken, lesen und querfeldein noch die karstigen Berge erkunden. Wenn dann aber die Sonne hinter dem Nemrut verschwindet, wird es schon zapfig kalt und wir verziehen uns sehr schnell in den LKW!

Wir rollen langsam hinab und kommen immer wieder an sehr gepflegten Bauernhöfen und winzigen Dörfern vorbei. Die Felder sind zum Teil frisch eingesät und leuchten schon fast unwirklich grün. Es ist einfach unglaublich schön hier. In Eski Kahta machen wir Halt um die alte Mamelukenfestung aus dem 13. Jh. zu besichtigen. Schade, sie ist geschlossen, dabei hätte ich mir gerne die Brieftaubenpoststation der Mameluken angesehen. Dafür lernen wir drei junge Leute kennen, die ganz aufgeregt sind, dass sie hier Deutsche antreffen. Wir werden mit Müsliriegel und Nüssen beschenkt, bevor wir weiter durch die jetzt fruchtbare Ebene entlang des Atatürk-Stausees nach Adıyaman brausen. Der Hiasl braucht dringend eine Wäsche und für 60 Cent können wir uns das gerade noch leisten. Eine Stadtbesichtigung schminken wir uns ab und hat die Durchfahrt schon gereicht. Allerdings reicht es uns für heute auch mit dem Fahren und so installieren wir uns auf dem Parkplatz einer Mall. Es ist zwar vermüllt wie immer, aber mittlerweile haben wir gelernt damit umzugehen: nämlich ignorieren. Manchmal klauben wir Dosen und Plastikflaschen auf, aber das ist nicht mal ein Tropfen auf dem heißen Stein und ich bin der Meinung, wenn man jemanden immer hinterher räumt, dann wird er es selber nie lernen.

So ein Mist, unsere Heizung geht nicht. Wir beschließen nach den ersten vergeblichen Maßnahmen wie Dieselleitung durchblasen nach Şanlıurfa zu fahren, da gibt es laut P4N einen Womoplatz auf dem Parkplatz der, wie sollte es auch anders sein, zur Piazza-Mall gehört. Tja, wir bleiben drei Tage hier. Die ersten eineinhalb Tage gehen mit dem Reparieren unserer Heizung drauf. Gott sei Dank spielt das Wetter mit und es ist auch am Abend ohne Heizen auszuhalten. Leider müssen wir auch einen Frischwassertank ausbauen, schade um das gute Bergquellwasser, das nun in den Gully muss! Als Wolfgang endlich den Brenner rausschrauben kann, sehen wir, dass er total verkokt ist. Mit Abkratzen und Freibrennen wird das Verdampfervlies einigermaßen sauber. Aber nach dem Einbau läuft der Lüfter nicht mehr, also alles wieder raus. Dann funktioniert dieser wieder, dafür gibt es einen Kurzschluss nach dem anderen, bis uns die Sicherungen ausgehen! Es ist doch wie verhext! Ich mach mich auf den Weg und kann bei zwei Autoradiobuden in der Nähe vier passende Sicherungen ergattern. Und endlich nach dem zigmalsten Ein- und Ausbau kommt warme Luft aus den Ausströmern und das Wasser wird auch warm. So, nun noch eine heiße Dusche für Wolfgang, das hat er bitter nötig, können wir uns endlich zu den heiligen Teichen aufmachen. Die großen, fetten Karpfen darin sind natürlich auch heilig und werden von den zahlreichen Besuchern auch fleißig gefüttert. Die Entstehung der Teiche und der Karpfen hat man laut dem Koran Abraham zu verdanken, dessen Geburtsgrotte nur ein paar Schritte entfernt liegt. Männer und Frauen dürfen getrennt rein. Bei mir wird andächtig gebetet bzw. auf dem Handy rumgedaddelt oder gefilmt. Ich beschränke mich aufs Zuschauen. Die Grotte ist eine wassergefüllte Grube. Nach soviel Heiligtümern brauchen wir wieder was weltliches und gehen durch den Basar mit jeder Menge unechtem Schmuck, Tand, aber auch Gewürzen, Obst, Gemüse, Haushaltswaren und Tee- und Kebapständen. Es wird allmählich dunkel und die Händler verstauen ihre Waren und wir suchen uns ein Restaurant. Die den Kebaps beigelegte grüne Paprika probiere ich vorsichtshalber erst mal. Aber ja, man kann sie durchaus essen. Beim zweiten Bissen aber bleibt mir die Luft weg und ich spüre meinen Mund nicht mehr, Tränen laufen mir aus den Augen. Verdammt ist die scharf! Nach viel Brot und Joghurt geht’s wieder und ich kann mich dem Rest der Mahlzeit widmen. Zurück am LKW brauch ich nun einen Rotweinschlummertrunk.

Bevor wir weiterfahren, besuchen wir noch das interessante Archäologische Museum, das sich in einem recht modernen Gebäude gleich neben unserem Parkplatz befindet. Dank des Audio Guides schaffen wir es gerade so in den zwei Stunden bis zur Schließung die Exponate und Dioramen vom Neolithikum bis zur islamischen Zeit aus den umliegenden Ausgrabungen anzusehen. 

An der syrischen Grenze entlang fahren wir weiter Richtung Osten und bei einer „Feldübernachtung“ werden wir am Morgen von einem jungen Mann zu Frühstück oder Tee eingeladen. Das riesige Haus liegt auf einem (wahrscheinlich Grab -) Hügel mit riesigem Tor, Pool und die Wohnung im ersten Stock ist auch nicht klein und die Küche ist mit dem allerneuesten Schnickschnack ausgestattet. Er spricht englisch, seine Schwester auch ein paar Worte, aber die Mutter und seine Frau nur kurdisch und türkisch. Auf die Frage, wie ihm sein Auslandssemester in Berlin gefallen hat, sagt er sehr gut, er habe sich dort frei gefühlt! Obwohl es eine wohlhabende Familie ist, haben sie es als Kurden nicht einfach. Frühstück und/oder Mittagessen lehnen wir ab, denn sonst kommen wir gar nicht mehr weiter.

Die Weihnachtsfeiertage verbringen wir in Mardin und Umgebung. Mardin wird als die schönste Stadt in Südostanatolien angepriesen und im Rückblick muss ich sagen, dass das stimmen könnte. Auf gut 1000 m hoch schmiegt sich die Altstadt – die Neustadt mit den Hochhäusern liegt etwas weiter unten – an einem Berg, auf dem oben die alte Festung steht. Von der Altstadt hat man einen weiten Blick nach Süden auf die fruchtbare Ebene Mesopotamiens, das Land zwischen Euphrat und Tigris. Wir installieren uns auf einen Parkplatz, von wo wir bequem zu Fuß alles erkunden können. Doch der Hauptgrund ist die Waschmaschine, hurra! Über steile, enge und verwinkelte Gassen vorbei an oft schönen gelben Sandsteingebäuden und nicht so schönen aus Beton sind wir bald im Basarviertel. Interessant wie immer! Obst wandert in unseren Rucksack und bei einer Geflügelwurst in Dosen mit deutschen! Gewürzen können wir auch nicht widerstehen. Auf der Hauptstraße ist noch mords was los, die Autos stehen dicht an dicht, auch viele Iraker mit großen SUVs. Die Sonne ist am Untergehen und es wird sofort kalt. Weil heute Heilig Abend ist, gehen wir noch essen: sehr leckere Pide mit Käse und Hackfleisch, Salate, diverse Soßen und frischen Ayran aus dem Brunnen. Der Besuch des Stadtmuseums ist auch sehr interessant, es zeigt ein ziemlich friedvolles Zusammenleben von Moslems, Juden und Christen. Bis zum 2. Weltkrieg sehen wir auf Bildern moderne Frauen in Kostümen und unverschleiert, man hatte Radios, Grammophone und alle sonstigen modernen Haushaltsgeräte. Das heutige Bild ist anders, 10 % der Frauen sind unverschleiert, 80 % mit mehr oder weniger strengem Kopftuch und der Rest ist schwarz mit Sehschlitz. Modern sind sie alle, die neuesten Smartphones und iPhones überall. Jedes Kind kennt sich auf unseren Handys besser aus als wir! Bei einem Straßenmusiker bleiben wir lange stehen, die Stimmung ist toll, ein alter Mann tanzt, später auch junge Frauen und Männer. Die Stadt ist voll mit türkischen Touristen, bei antiken Gebäuden werden Hochzeitsbilder gemacht. Überhaupt sind die Türken die Poser vor dem Herrn! Wir lassen uns in einem modernen Café noch einen Cappuccino schmecken, immer nur Tee geht einfach nicht, und steigen dann die steilen Treppen zum LKW runter.

Wir besuchen das syrisch-orthodoxe Zafran-Kloster und es liegt wie so viele Klöster in einer einmalig schönen Lage inmitten von Olivenhainen unterhalb eines breiten Felses. Am Abend klopft ein Mann bei uns an und reicht Wolfgang einen Styroporteller mit Suppe, Salat und Hühnchenpilaw und verschwindet so schnell, dass wir uns kaum bedanken können. 

Wir müssen uns dringend mal wieder bewegen und wandern weglos hinauf zu den Felsen mit alten Höhlenwohnungen. Wolfgang spielt mit der Drohne und plötzlich bricht der Kontakt ab. Und er erhält die Meldung, dass sie gelandet ist. Na bravo. Das gesendete GPS-Signal spielt verrückt und wir irren ca. zwei Stunden in dem unwegsamen Gelände rum, rauf, runter, bis Wolfgang sie tatsächlich nur unweit einer Kiesstraße findet. Puh, noch mal gutgegangen!

In Dara, kurz vor der syrischen Grenze, stellen wir den Hiasl bei einem antiken Steinbruch ab und bestaunen am nächsten Morgen, wie die damaligen Bewohner im 6 Jh. n. Chr. die Steinbrüche zu Nekropolen umwandelten. Die Gräber waren teile über mehrere Stockwerke verteilt und durch Glasböden sieht man noch genügend Knochen. Im Ort selbst stiefeln wir mutterseelenallein durch die antike Stadt Dara, die auch im 6. Jh. n. Chr. von Römern gegründet wurde. Sie war die östlichste Stadt des römischen Reiches. Gut erhalten sind noch zwei Brücken, eine Marktstraße mit der Entwässerung und Reste der Agora. Sehr imposant sind die zwei ehemaligen Zisternen mit 1500 bis 2000 m³ Fassungsvermögen. Und ganz viel von den alten Steinen wurde wie nahezu überall von den nachfolgenden Bewohnern zum Hausbau verwendet.

Wir nehmen nun Abschied von dieser tollen Gegend mit den kleinen Dörfern, den kargen und sehr steinigen Äckern, die mit viel Fleiß bewirtschaftet werden. Die Bauern hier warten seit drei Jahren auf das von der Regierung versprochene GAP-Projekt, wie es nördlich von Şanlıurfa schon verwirklicht wurde, das auch in ihre Region Stauseen und Kanäle bringen soll. Natürlich ist das umstritten, Versalzung der Böden, Klimaveränderung, Überflutung von Dörfern und Kulturgüter und auch die Anrainerstaaten Syrien und Irak haben Angst, dass ihnen das Wasser abgedreht wird. Aber andererseits müssen die Bauern hier bis zu 500 m tief bohren um ans Grundwasser zu kommen. Je weiter wir nach Westen fahren, desto mehr wird Baumwolle angebaut. Eine sehr durstige Pflanze und überall wird bewässert. Jedes Feld muss erst mal mühsam von sehr vielen Steinen befreit werden. Ich zieh meinen Hut vor den Leuten, die Männer sind immer auf den Feldern und die Frauen mühen sich ohne Waschmaschine, ohne fließendes Wasser ab. Die Baumwollstängel müssen mit der Hand gepflückt werden und die Ernte bei einem Kleinbauern beläuft sich auf 5 bis 15 Säcke!

In zwei vernachlässigten Ausgrabungen ziehen wir mit einer Schar von Kindern durch die Gegend um Statuen und Reliefs vom den Mond- und Sonnengott und Opferschalen von Menschenopfern anzusehen. Diese waren noch bis ins 14. Jh. in Gebrauch! Das mit Moses Fußabdrücken glaube ich nicht so recht. Die Mädchen sind nett und hilfsbereit, meine Sonnenbrille hat es ihnen sehr angetan, die Jungs eher frech, sie versuchen immer am LKW raufzuklettern. Aber da wird Wolfgang gleich fuchsteufelswild und danach sind sie auch ganz okay und versuchen uns alles so gut es geht mit Hilfe unserer Handys zu erklären.

Harran, seit ca. 5000 Jahren kontinuierlich besiedelt, gefällt uns trotz der Trulli-Häuser gar nicht. Kaum stellen wir den LKW ab kommt gleich ein selbsternannter Gutmensch und bietet uns einen Führer an, der uns eine Stunde durch die Stadt führt und nur 40 Euro dafür verlangt. Und überhaupt wirkt alles sehr geschäftsmäßig, wobei genauso viel Müll rumliegt wie überall, und Wolfgang taugt es hier gar nicht. Er beordert mich in den LKW und zwar sofort! Okay. Ein Stückchen weiter sieht es nach einem Trulli-Teegarten aus, doch Tee gibt's nicht, dafür können wir durch die Häuschen gehen. Sieht bisschen museumsmäßig aus, aber Eintritt will auch keiner. Nach ein paar Fotos ziehen wir weiter. Durch ewige Baumwollplantagen und vielen Dörfern mit den kleinen fiesen Speedbumps erreichen wir Suruc. Wir brauchen mal wieder Diesel. Der Tankstellenbetreiber lädt uns zu Tee ein und mit Googleübersetzer werden wir ungeniert über Alter, Einkommen, Familienstand usw. ausgefragt. Bis aufs Alter weichen wir aus. Es sind lauter Kurden hier und sie sind sehr unzufrieden mit der Politik Erdoĝans. Einer der Männer vergleicht ihn mit Hitler. Wir wollen keine größere Diskussion entfachen, was mit den Handys auch schwierig ist, und der Tee ist auch getrunken, also verabschieden wir uns und bringen die letzten Kilometer immer schön hinter drei LKWs hinter uns. Bei Dunkelheit erreichen wir Birecik und wir stellen uns am Nordende des Städtchens an das Euphrat-Ufer.

Heute morgen merken wir, dass es hier besonders vermüllt ist, grrr. Manchmal geht mir dieses Unverständnis der Türken ganz schön auf den Geist. Wir laufen am Fluss entlang in die Stadt, kaufen für heute zum Anstoßen wenigstens noch ein paar Dosen Bier und laufen dann durch das recht authentische Basarviertel, wo zuerst die Kebap-Buden sind, dann die Frisöre, danach kleine Lebensmittelläden, anschließend Kleider- und Haushaltswaren und dann endlich die Handwerker wie Schuster, Schneider, Tischler. Als wir einen schöneren Platz zum Übernachten suchen, landen wir am Anfang einer Straßensperre wegen einer Baustelle. Aber genau da befindet sich ein Reservat für die vom Aussterben bedrohten Waldrappen. Der Betreiber erklärt uns in gutem Englisch alles über die Migration und Brutverhalten dieser Vögel und dass sie genetisch nicht mit denen verwandt sind, die auch mal in Deutschland heimisch waren. In einer riesigen Voliere sind gerade an die 200 Waldrappen - alt und jung -, die sich dann im Januar wieder auf ihre Reise bis nach Äthiopien machen. Am Abend telefonieren und schreiben wir noch mit Zuhause und pünktlich nach den Neujahrswünschen sind wir um fünf Minuten nach Mitternacht im Bett.

 

Wir wünschen allen ein gutes 2023, vor allem Gesundheit und hoffentlich mehr Frieden auf der Welt!

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