England 26.04. - 08.05.2022

Um fünf Uhr beginnen wir mit den Formalitäten für die Überfahrt von Dünkirchen nach Dover: Der Angestellte der Fährgesellschaft DFDS will nur die Buchung und die Pässe sehen, aber sowohl die Franzosen, wie auch die Engländer interessieren sich sehr für unser Auto. Alle Klappen außen und vor allem jede Schublade und jeder Schrank innen und nicht zu vergessen, das was sich unter unserer Matratze befindet! Soweit ich weiß, außer Staubmäuse nichts. Auch der Drogenhund verliert dann schnell das Interesse und nach etwas Wartezeit vor dem Kahn, fahren wir als Vorletzte aufs Schiff. Bald geht die Sonne auf und wir haben dann einen tollen Blick - leider nur durchs Fenster - auf die Kreidefelsen von Dover. Dort finden wir nach etwas Hin und Her endlich einen Parkplatz, marschieren in die Stadt zum Geldziehen, für z. B. Parkplatz bezahlen, und Sim-Karte kaufen. Dann checken wir auch noch schnell die örtlichen Lebensmittelpreise und Verfügbarkeit. Daumen hoch, es gibt alles in ausreichender Auswahl, Menge und zu erstaunlich guten Preisen. Das was ich da vorher im Internet gelesen habe, stecke ich nun in die Schublade Fake-News! Nahe der kleinen Stadt Winchelsea finden wir dann einen der wenigen Freistehplätze direkt hinterm Deich. Bei einem Abendspaziergang machen wir ausgiebig Bekanntschaft mit Schafen und Stacheldrahtzäunen.

Sehr schön ist das mittelalterliche Städtchen Rye. Die kleinen, putzigen Häuschen z. T. aus Fachwerk mit den winzigen bleiverglasten Fensterscheiben sind einfach zu malerisch! Jedes Häuschen hat auch einen Namen, wie z. B. Gull House oder House Opposite. Über kopfsteingepflasterte Straßen spazieren wir durch die Ortschaft, bis wir ganz hungrig ins Apothecary Coffee House einfallen.  Schwierig wird es dann einen Übernachtungsplatz zu finden. Eigentlich wollten wir bei den Kreidefelsen bleiben, aber überall: no overnight stay. Also nur eine kurze Pause um einen sehr windigen Gang zu einem Leuchtturm zu machen und schon geht es weiter nach Newhaven, wo wir in Hafennähe einen Parkplatz auftreiben. Nicht gerade unser Traum, aber die Engländer verbringen ihren zweiwöchigen Urlaub hier. Weil es so günstig ist, sagen sie. Naja, gute 11 € nur für’s Hinstellen und sonst nichts.

Schon von weitem sehen wir das Schloß von Arundel, aber ich sag es gleich, auch das schenken wir uns. Denn über 30€/Person ist uns dann doch zu viel. Wir wollen den alten Schuppen ja nicht kaufen. Fasziniert sind wir von dem typisch, englischen Einheitsstil der hiesigen Reihenhäuschen. Alle hatten wohl denselben Architekten: drei Meter breit, sehr schmale Eingangstür, daneben ein Fenster und schon kommt das nächste Haus. Im Vorgarten passen dann gerade noch die drei Mülltonnen! Das ist schon sportlich für eine Familie, denn bei der kleinen Variante ist im Obergeschoss schon ein Kniestock. Nach so viel Stadt machen wir am Nachmittag noch eine schöne Wanderung durch die Hügel mit ganz vielen Schafen.

Im Hinterland von Chichester erkunden wir vom Wanderparkplatz des National Trusts das Kingley Vale mit dem „schönsten Eibenwald Europas“.  Bis dahin kannte ich Eiben nur als giftige Heckenpflanze, aber das hier sind schon sehr beeindruckende Bäume. Es ist heute auch sehr diesig und da kommt gleich eine mystische Stimmung auf. Die ältesten Bäume sollen so 6000 bis 9000 Jahre alt sein! Am Bow Hill (sagenhafte 206 m) befinden sich auch noch mehrere Hügelgräber aus der Bronzezeit. Alles in allem eine super Wanderung. Zumal uns dann am Parkplatz noch eine Deutsche anspricht, die hier gleich um die Ecke wohnt und uns ganz unkompliziert anbietet bei ihr zu Hause Wasser aufzufüllen oder Wäsche zu waschen, im Garten erholen. Am nächsten Morgen nehmen wir das Angebot mit dem Wasser sehr gerne an und obwohl niemand zu Hause ist, was sie auch schon angekündigt hat, steht der Schlauchwagen bereit. Vielen Dank nochmal!

Kurz vor Portsmouth an der Warblington Church ist mal wieder einer der raren Plätze, wo wir übernachten können. Es ist eben noch eine Hochzeit im Gange und wir warten, bis das Brautpaar im Rolls Royce davonbraust und auch die anderen Gäste - die Damen mit den riesigen, bunten Hüten - weg sind, bevor wir unseren LKW abstellen. An der Küste, wo leider gerade Ebbe ist, laufen wir nach Havant hinüber, genehmigen uns in einem Pub Guiness und Cider und machen es uns danach im Auto gemütlich, denn draußen sinken die Temperaturen schon wieder auf unter 10 °.

Heute ist endlich mal englisches Wetter: es regnet! Wolfgang will ins National Motor Museum, das bietet sich doch an. Wir müssen nur noch durch Southampton, wo aber gerade Gott und die Welt unterwegs ist. Okay, wir haben ja Zeit, wir sind ja auch schon früh aufgestanden, damit wir vor dem Besucheransturm zur 11-Uhr Messe weg sind. Gegen Mittag erreichen wir Beaulieu (sprich Bjuliju und nicht Boliö, wie wir Franzosen sagen, haha), wo sich Wolfgang alleine ins Museum aufmacht. Ich bin da jetzt nicht so ganz scharf darauf und wir müssen ja auch an unsere Reisekasse denken! Leider ist an diesem Wochenende eine Gartenmesse, also entsprechend viele Besucher da, die sich dann mit ihren Pflanzentüten auch im Automuseum tümmeln, was Wolfgang nicht ganz so toll findet. Nach eineinhalb Stunden taucht er schon wieder auf und wir schauen uns dann noch die Ortschaft an. Bei einem Gebrauchtwagenhändler entdecke ich einen wunderschönen MGB in British Racing Green. Also der würde mir schon sehr gut gefallen, erstaunlicherweise kostet er nicht mal 15.000 €. Aber was wollen wir jetzt mit zwei Autos? Durch den New Forest Park tuckern wir, wegen den ganzen Verbotsschildern zwecks Übernachtung, noch bis nach Salisbury, wo wir vor einem Campingplatz stehen dürfen. Das versteh noch mal einer!

Über nasse Wiesen laufen wir hinauf nach Old Sarum, wo es allerdings außer den zwei ineinander liegenden Wällen und den spärlichen Resten der alten Kathedrale nicht arg viel zu sehen gibt. Aber wir haben halt vor ca. 40 Jahren einen Roman über den Bau dieser ersten Kathedrale gelesen…

 

Am Nachmittag ist dann in der City von Salisbury ein Fest beim Museum mit ein paar alten Autos, traditionelle Tanze und allerlei Unterhaltung für Kinder. Zudem ist das Museum geöffnet mit Grabungsfundstücken von Old Sarum und Stonehenge und deren Geschichte, Fotos, alte Gemälde. Es ist auf jeden Fall sehr kurzweilig und interessant. Gleich daneben befindet sich die im 13. Jh. in nur 38 Jahren erbaute Kathedrale mit wirklich gigantischen Ausmaßen! Dazu wurde mit erheblichem Aufwand die alte Kathedrale abgebaut und sozusagen recycled. Es fasziniert mich immer wieder, was die Handwerker damals ohne unsere heutigen, modernen Mittel schon drauf hatten. Trotz des Banking Holidays (Tag der Arbeit wird in England immer am ersten Montag im Mai gefeiert, so haben die meisten Arbeitnehmer jedes Jahr einen Feiertag) sind  fast alle Geschäfte geöffnet.

In dem kleinen Ort Shaftesbury lernen wir im Heimatmuseum ein älteres Ehepaar kennen, es stellt sich heraus, dass sie schon gut über 80 sind, die 20 Jahre in Nepal eine Expeditionsagentur geführt haben. Ihre Augen strahlen richtig, als sie von Nepal und den Menschen dort erzählen. Im Ort schauen wir uns natürlich noch die sehr steile und mit Kopfsteinpflaster belegte Gasse Gold Hill an. Da hat der Bäcker früher ganz schön geschnauft, wenn er von unten mit dem Rad seine Brote in die Stadt gebracht hat. Wir brauchen auch noch Lebensmittel und ärgern uns ziemlich, dass man auf dem Supermarktparkplatz bezahlen muss und dass dort keine Wohnmobile erlaubt sind. Auf dem Plakat steht: Wohnmobile sind alle Fahrzeuge, bei denen von außen erkenntlich ist, dass man darin essen, kochen und Schlafen kann. Ach ja, und länger als 4,80 m darf man auch nicht sein. Also ein bisschen spinnen die schon hier, oder?

Etwas südlich von Dorchester gibt es endlich mal einen Wanderparkplatz ohne Übernachtungsverbot! Dort erkunden wir das Maiden Castle, eine vor ca. 3500 Jahren v. Chr. erstmals befestigte Siedlung. Auch hier zwei konzentrische Kreise mit links und rechts je einem Eingang, die hier aber, um die Feinde zu verwirren, noch etliche labyrinthartige Wälle vorgelagert haben. Wir brauchen fast zwei Stunden um einmal außen rum und einmal innen durch zu gehen und wir gehen nicht langsam. Dorchester selbst ist eine unaufgeregte, englische Kleinstadt mit einer netten Fußgängerzone, eine Handvoll Kirchen, diverse kleine Museen, einer beengten Arbeitersiedlung und mehreren Outdoorläden, wo wir endlich einen neuen Wasserkessel kaufen können, da der marokkanische nun seinen Geist aufgibt. Ich mag diese nicht so herausgeputzten Orte ganz gerne, man sieht hier halt, wie die Leute so leben, dass es Obdachlose  gibt, Billigläden mit Chinaramsch, Fast Food, moderne und alte Architektur, ganz tolle Kitas und Kindergärten, edle Privatschulen.

Tja, eigentlich wollen wir an der Jurassic Coast ein bisschen am Meer auf und ablaufen, durch kleine Küstenorte schlendern, vielleicht am Strand liegen. Aber in West-Bexington reicht es mir dann erstmal. Parkplatz mit Parkuhr. So weit, so gut. Aber er funktioniert zuerst nicht. Alle sind furchtbar bemüht um uns. Die einen sagen, dann braucht man nicht bezahlen, die anderen wir müssen eine App runterladen, nur leider gibt es hier keinen Internetempfang und die dritten meinen, wir sollen es per Telefon machen. Aber auch das scheitert am nicht vorhandenen Telefonempfang. Doch plötzlich erwacht der Automat und nimmt gnädigerweise vier Pfundmünzen für zwei Stunden entgegen. Gott sei Dank haben wir den letzten der beiden WoMo-Plätze ergattert. Als wir dann auf der Decke am Kiesstrand liegen, sehen wir einen Parkwächter kommen. Wolfgang macht sich schon mal auf die Socken, da wir beim Bezahlvorgang nicht den Motorhome-Tarif auswählen konnten. Aber der Typ murmelt nur: don’t worry. Der VW-Bus ein paar Meter weiter hat aber ein Ticket über 70 Pfund bekommen, weil er auf einem PKW-Platz steht und es ja von außen ersichtlich ist, das es ein Wohnmobil ist. Also das sind hier so richtige Korinthenkacker. Ich sehne mich nach Frankreich zurück! Mangels Alternative steuern wir am Abend einen Platz am Quai von Exeter an. Ohje, Parkuhr! Nur Münzen oder App. Münzen sind alle, also laden wir die App herunter, registrieren uns und kommen exakt bis zur Eingabe unseres Kennzeichens. Da erscheint doch in rot: dieses Fahrzeug ist hier nicht erlaubt. Wir geben zum Spaß das von dem PKW gegenüber ein: VW, silber. Sind die wirklich mit der deutschen Zulassungsstelle verbandelt und können so sehen, dass wir ein Wohnmobil sind? Endlich kommt ein Passant vorbei und wechselt uns einen Schein, so dass wir dann am nächsten Morgen um acht Uhr die Parkuhr füttern können, denn in der Nacht kostet es nichts. Sorry, aber diesen ganzen Parksch… muss ich einfach loswerden.

Die nächsten Tage verbringen wir im Dartmoor Nationalpark. Bei Widecombe in the Moor mieten wir uns auf dem kleinen Farmcamping Cockingford ein. Sehr idyllisch unten im Tal an einem Fluss gelegen, links und rechts geht es mit 20% rauf. Und nicht nur da, eigentlich in dem ganzen NP. Ich glaube, die Räder werden wir hier nicht bewegen! Wir machen ausgedehnte Wanderungen über die zahlreichen Hügel, die fast alle oben Granitfelsbildungen haben, auf die man, manchmal mit beherztem Schritt, hinaufsteigen kann. An unzähligen Steinmauern entlang, immer rauf und runter, manchmal durch morastige Flächen, durch Heidekraut, Preiselbeeren, gelben Ginsterbüschen, durch Schaf-und Kuhherden, an den wilden Dartmoor-Ponies vorbei genießen wir bei weiß-blauem Himmel und mäßigem Wind die tolle Landschaft. Also da könnten wir schon einige Zeit verbringen. In den winzigen Orten gibt es oft ein Pub und den ein oder anderen Andenkenladen, alte reetgedeckte Häuser und prächtige Landsitze, von denen man oft nur die ewig lange Einfahrt mit einem großen, schmiedeeisernen Tor sieht. Nur eins ist Mangelware: Internet! Aber etwas digital detox hat noch keinem geschadet. 

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