Also immer wenn wir ein kleines Abenteuer möchten, dann müssen wir nur blindlings dem Navi vertrauen. Zuerst fahren wir unter den ungläubigen Blicken der Einheimischen arg steil zwischen den Olivenplantagen hinauf auf die Hauptstraße, wobei die auch gerade mal fünf Meter breit ist. Immer wenn uns ein weißer Mietwagen entgegenkommt, sorgt das bei den Insassen für Entsetzen. Aber so richtig eng wird es für uns dann doch in Plakias, als wir wegen einer unsinnigen Einbahnstraße schon fast Balkonkontakt haben. Puh, endlich sind wir in der Strandmeile gelandet, wo wir nach einem kurzen Einkaufsstopp den Lkw ziemlich weit hinten abstellen. Gleich darauf treffen Ulrike und Ulrich ein und wenig später kommen noch vier Reisende zu Fuß an. Nach einem Ratsch auf der Straße zieht jeder wieder seines Weges und wir laufen kurz durch den für die Jahreszeit noch recht lebhaften Ort. Nur ein paar Kilometer weiter südlich installieren wir uns neben den „Ulis“ am Amoudi-Beach, eine ca. 70 m breite Bucht mit Kiesstrand und wenig Leuten. Hier verbringen wir die nächsten vier Tage mit Baden, Nichtstun, Wanderungen mit starkem Wind und scheußlichen Zäunen, die überklettert werden müssen und vor allem mit interessanten Abenden mit unseren „Nachbarn“.
Da die Wetteraussichten nicht so ganz prickelnd sind - weiterhin starker Wind, wenig Sonne, aber immerhin ca. 22° - und wir auch sämtliche Ziele in der Gegend abgeklappert haben, zieht es uns weiter zuerst zum Kloster Piso Preveli, das im 2. Weltkrieg hunderten von australischen und neuseeländischen Soldaten und Kretern Zuflucht bot. Eigentlich wollen wir von hier oben runter zum berühmten Palmenstrand von Preveli wandern, aber der starke, kalte Wind lädt nicht dazu ein. Also nehmen wir ein enge, dafür frisch geteerte Bergstraße unter die Räder. Alles wunderbar, darum verstehen wir nicht ganz, warum uns unten am Parkplatz ein Touri mit Mietwagen den Vogel zeigt. Okay, er musste zwei, drei Kilometer hinter uns herfahren und überholen war nicht, bzw. hat er sich nicht getraut, aber die paar Minuten wird er ja im Urlaub wohl noch übrig haben. Zum palmengesäumten Prevelistrand laufen wir 10 Minuten und ja, er hat mich nicht aus den Socken gerissen. Am Strand selbst sind eigentlich nur Tamarisken und die Palmen befinden sich vor allem links und rechts des einmündenden Flusses Kissamos. Vielleicht ist es auch der graue Himmel, auf jeden Fall geht es für uns recht bald wieder zurück und weiter hinauf nach Spili, ein recht nettes Bergdorf, wo wir auf dem großen Dorfparkplatz noch einen einigermaßen ebenen Stellplatz für die Nacht finden.
Hurra, das Wetter ist besser und wir schauen uns den Löwenbrunnen mit seinen 19 Fontänen an, stiefeln durch steile Gassen mit den kleinen, weißen Häusern, die aber oft tolle Dachterrassen mit vielen Topfpflanzen haben oder es ranken sich rosablühende Bougainvilleen die Wände hoch. Am Ortsende gibt es einen kleinen botanischen Garten, in dem vor allem heimische Kräuter, Sträucher und Bäume gepflanzt wurden, aber auch noch ein paar Exoten, die hier mit Kretas Klima zurechtkommen. Im angrenzenden Laden kann man die meisten der Pflanzen als Tees, Gewürze oder Essenzen kaufen, ebenso wie das hauseigene Olivenöl, Honig und der Raki darf natürlich auch nicht fehlen. Wir beschränken uns auf Tee und kretischen Pfeffer und gönnen uns nach dem anstrengenden Spaziergang mit einem Riesenstück Walnusskuchen im angrenzenden Café. Auch wenn der Garten nicht sehr professionell ist, hat es uns, vielleicht auch deswegen, recht gut gefallen!
Noch etwas weiter in den Bergen gibt es die Antonius-Schlucht, die zu einem Stausee führt, der Rethimno, die drittgrößte Stadt an der Nordküste, als Trinkwasserreservoir dient. Schön schattig geht es an der Antonius-Kapelle vorbei, wo die ganzen Geheilten gleich Krücken dort gelassen haben, und weiter über einen guten Pfad zuerst hinauf zu einem Aussichtspunkt und danach tief in die Schlucht hinein. Die Steine werden größer, glitschig und es kommen die ersten Ketten. Aus den Ketten werden zuerst noch intakte Seile, dann verschlissene und rutschige Baumstämme als Querungshilfen. Bei mir ist dann Schluss, als man auch noch ins Wasser muss. Dafür sind wir wirklich nicht ausgerüstet, so ohne wasserdichte Schuhe, keinen Neoprenanzug und auch kein Seil! Schade, wir versuchen zwar noch einen anderen Weg, aber auch der endet an einer Felswand. Schön war es trotzdem!
Im Amari-Tal, eine fruchtbare Hochebene südwestlich des Ida-Gebirges (Kreuzworträtsel!) haben wir uns den Parkplatz an einer Ausgrabungsstätte als Nachtplatz ausgesucht. Aber da haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn in dem kleinen Ort Monastiraki verkeilen wir uns mal wieder mit dem Hiasl in den Gassen. Irgendwann sieht es dann auch Wolfgang ein, dass es nicht mehr weiter geht, aber erst muss er immer bis zum Anschlag vorfahren! Zu seiner Entschuldigung, muss ich sagen, dass er bis jetzt noch überall wieder rausgekommen ist. Am verlassenen Kloster Asomaton gibt es dann neben einer riesigen Platane doch noch ein adäquates Plätzchen für uns. Die Kirche ist geschlossen, die Gebäude drum herum sind eingefallen, zerbrochene Scheiben, Müll, alles verwahrlost. Der Ort kommt auf meine persönliche Liste der lost places. Jammerschade darum!
Von engen Bergdörfern habe ich erst mal genug, so dass wir heute mit dem Rad die Gegend mit den hübschen, aber etwas einsamen Orten erkunden. Immerhin kommen wir so überall durch.
Durch die intensive Landwirtschaft ist es jedoch für uns hier nicht ganz so einfach einen Platz zum Übernachten zu finden und so beschließen wir trotz der wahnsinnig schönen Berglandschaft doch wieder an die Küste zu fahren. Und zwar nach Agia Galini, heißt „Heilige Gelassenheit“, ein ehemaliges Fischerdorf, das sich aber nun völlig dem Tourismus verschrieben hat. Gott sei Dank für uns, denn hier gibt es eine Wäscherei. Nachteil: wir können unsere Wäsche erst morgen Vormittag abholen. Also bleiben wir gleich mal mitten auf dem Parkplatz direkt am Hafen und an der autofreien, kleinen Altstadt stehen. Wir laufen die wenigen Gassen mit den üblichen Souvenirgeschäften und Kneipen auf und ab, spazieren am schönen Sandstrand entlang und gehen am nächsten Morgen noch zu den modernen Skulpturen von Dädalus und Ikarus hinauf, die von hier ihren abenteuerlichen Flug gestartet haben sollen. Ikarus ist ja abgestürzt, aber sein Vater Dädalus soll es ja bis nach Sizilien geschafft haben!
Mit frischer Wäsche fahren wir in die Messara-Ebene hinein, früher schon die Kornkammer Kretas, heute überwiegend Olivenbaumplantagen, erledigen in der größten Stadt Mires unsere Einkäufe, bevor wir mal wieder einen der schönsten Strände (Reiseführer) bei Kalamaki anpeilen. Dank unseres Autos können wir auf dem sandigen Gelände an allen anderen vorbeifahren und haben einen wundervollen Platz unter großen Tamarisken, aber doch so, dass die Solarpaneele noch arbeiten können. Hier bleiben wir ein paar Tage und vertreiben uns die Zeit mit baden, trotz FKK-Strand, radeln und ratschen. Denn wir treffen eine jede Menge an Leuten, die wir vor einiger Zeit kennengelernt haben oder neue interessante Leute, wie z. B. den Kuchen-Uwe, der hier leckere Kuchen an den Mann bringt oder Roger, ein Alt-Hippie, der meint uns in Marokko schon gesehen zu haben. Ja, möglich. Natürlich sind wir auch nach Matala geradelt, wo sich in den 1960er Jahren die Blumenkinder in den Felshöhlen niedergelassen haben. Heute wird der Ort arg touristisch vermarktet. Während der Hauptreisezeit werden anscheinend die Touristen aus ganz Kreta angekarrt. An die Flower-Power-Zeit erinnert noch der Spruch: Today is life, tomorrow never comes an einer Mauer, ab und zu wabert der Duft von Räucherstäbchen um die Ecke und Bob Marley tönt aus den Lautsprechern. Jeden Abend erleben wir hier einen Sonnenuntergang vom Feinsten! Die Farben sind schon fast unwirklich, ich sitze immer völlig geflasht auf der kleinen Düne beim Auto bis nichts mehr zu sehen ist und dann muss man aber echt rein gehen, denn es wird wirklich kühl, also so an die 18-19°, haha. Ganz anders ist unsere Biketour nach Kali Limenes, ein Minihafen mit riesigen Öltanks vor der Küste. Durch eine Mondlandschaft geht es immer wieder steil rauf und runter und die Sonne meint es auch recht gut mit uns. Gut, dass noch ein Mini-Markt auf hat und so kommen wir wenigstens zu einer kalten Coladose! Als wir ziemlich verschwitzt wieder beim Lkw ankommen, macht dann das Baden im 23° warmen Meer gleich noch mehr Spaß!
Uii, heute fahren wir doch tatsächlich 68 km, das ist schon lange nicht mehr vorgekommen. Wir landen in Tsoutsouros, ein kleiner, verschlafener Ort, den wir über zuletzt steile und enge Serpentinen erreichen. Am schönen Sandstrand gibt es auch in der Nähe einer Dusche einen optimalen Platz für uns. Im Ort sind noch zwei Tavernen und ein Kafenion offen und der kleine Supermarkt, der aber das ganze Jahr über die Versorgung sicher stellt. Super ist, dass die Strandduschen noch funktionieren, so können wir uns das Salzwasser immer bequem abspülen. Am Abend werden wir heute mit einem phänomenalem Sonnenuntergang belohnt, wobei belohnt? Wir haben doch gar nichts besonderes gemacht…
Für die morgige Radltour müssen wir heute ein kurzes Wegstück von ca. 1,5 km erst zu Fuß erkunden. Am westlichen Ortsende beginnt der Weg hinüber in die Nachbarbucht nach Maridaki. Noch so ein lost place! Aber das ist nichts für Räder, außer man trägt sie gerne rauf und runter über einen steilen und gerölligen Pfad. In Maridaki ist es schon fast etwas gespenstisch. Ca. 20 kleine, ehemalige Fischerhäuser drängen sich hinter dem kleinen Strand in der Bucht, alle sind verriegelt und verrammelt und viele nicht erst seit diesem Herbst. Zurück beim Lkw kommt allmählich Wind auf und die Wellen bekommen feine Schaumkronen. In der Hängematte kann ich es noch ganz gut aushalten, aber als dann die Sonne so gegen dreiviertel Fünf verschwindet, wird es einfach zu kalt für draußen. In der Nacht wird aus dem Wind ein Sturm mit Böen so um die 70-80 km/h. Leider können wir uns nicht in den Wind stellen, also bekommen wir die immer volle Breitseite ab. Weil wir kein Fenster öffnen können, ist es im Auto heiß und stickig und dazu das furchtbare Geschaukele! Da hätte ich ja genauso gut einen Segeltörn machen können. Ich bin froh, als wir dann nach dem Frühstück endlich alles verstaut hatten und uns auf die Socken machen. Schon nach vier Kilometern finden wir am nächsten Strand in Dermatos einen einigermaßen geschützten Platz hinter großen Tamarisken und mächtigen Büschen. Es wird ein geruhsamer Tag im Lkw!
Hurra, der Wind ist fast abgeebbt und es geht weiter an der Küste entlang, nicht weit nur bis Kastri/Keratokampos. Hier machen wir die Bekanntschaft von einer etwas „strangen“ Tantra-Masseurin aus Berlin, die in Kreta gerade das Paradies sieht und hier in Kastri unbedingt den kretischen Winter erleben will und sich dazu eine kleine Wohnung angemietet hat. Ich hoffe für sie, dass es dort eine Heizmöglichkeit gibt. Interessanter ist schon ein älteres Paar - also er um die 80, sie nicht - aus dem Rosenheimer Raum, die auch schon seit Jahren zum Überwintern nach Kreta kommen. Auch die mieten sich immer vier, fünf Monate wo ein und erkunden dann die Insel zu Fuß, mit dem Rad und man staune mit den Tourenskiern! Wir erhalten viele Tipps von ihnen, wobei Korbinian zugeben muss, das wir doch auch schon einiges kennen!
Unsere nächste Station ist Mirtos, schon wieder ein ehemaliger Hippieort. Für die 30 Kilometer nehmen wir die kleine Küstenstraße, was ja auch viel spannender ist, als die Hauptstrecke im Landesinneren. Zum einen, weil wir in Arvi nicht aufpassen und dann durch Schilf und zentimetergenau zwischen Balkon und Zaun durchzirkeln müssen und zum anderen, weil wir sonst vielleicht nicht die enorme Masse an Plastikgewächshäusern gesehen hätten. Dort wachsen Gurken, Zucchini, Tomaten, aber total überrascht sind wir, dass in bestimmt 50% Bananenpflanzen stehen und auch ein paar Bananenplantagen im Freien! Doch leider werden sie, wie auch in anderen Teilen der Welt, unreif geerntet, wie wir auf manchen Kleinlastern sehen. In Mirtos kaufen wir noch schnell ein (diese leckeren, kretischen Würste und wie immer gutes Fleisch beim Metzger und nebenan im kleinen Markt noch Obst und Gemüse) und müssen aber leider mit einem nicht ganz so schönen Platz auf dem Dorfparkplatz vorlieb nehmen. Dafür gibt es noch einen Sundowner in einer Bar an der Uferpromenade. Von den einstigen Hippies ist allerdings nichts mehr zu spüren!
Bei einer Radltour schauen wir uns die Gewächshäuser noch mal genauer an und zwar auf der gleichen Strecke wie gestern mit dem Lkw bis Arvi und dann zurück. Wenn man glaubt, dass die Kreter selbst in den Gewächshäusern arbeiten, dann täuscht man sich. Die Männer sind dunkelhäutig, haben tiefschwarze Haare, viele mit Schnauzer und tragen oft knielange Hemden. Spontan würde ich sagen aus Pakistan oder zumindest die Gegend. In Arvi gibt es ein ganz schnelles Eis, denn in den Bergen türmen sich dunkelgraue Wolken auf. Puh, nach Sidonia wird es für mich schon ekelhaft steil, aber dafür winkt eine lange Abfahrt! Und das Wetter hält auch, es ist teilweise sogar unangenehm sonnig, also beim Bergauffahren.
Kühlschrank und Vorratsschrank sind besorgniserregend leer, dem helfen wir bei einem Großeinkauf in Ierapetra ab, bevor wir uns am menschenleeren Long Beach von Koutsounari installieren. Ein Strand ganz nach unserem Geschmack: lang, Kies und Dusche, einfach super. Da machen wir jetzt mal einen halben Tag Urlaub mit baden und faul am Strand rumliegen. Ierapetra erkunden wir noch kurz mit dem Rad, aber es haut uns nicht um. Den türkischen Brunnen finden wir nicht, das Napoleonhaus - naja -, die Festung ist eingerüstet und die ehemalige Moschee ebenso. Also nur noch kurz durch die Fußgängerzone und dann ab zum Hiasl.
Kommentar schreiben