Um halb drei nach „alter“ Zeit sind wir heute erst ins Bett gekommen. Kein Wunder, dass wir erst um elf Uhr schwedischer Zeit aufstehen. Und der Regen, der auch schon die Restnacht aufs Dachfenster getrommelt hat, animiert auch nicht gerade zum Aufbruch. Um Vorwärtszukommen fahren wir auf der Schnellstraße Richtung Süden über Örnsköldsvik an die Höga Kusten. Diese, auf deutsch Hohe Küste, wird so genannt, weil hier sich hier im Gegensatz zum finnischen Gegenüber die Küstenberge auf gute 200 Meter erheben. Zudem findet eine Landhebung statt und zwar um beachtliche 8 - 10 mm pro Jahr. Wir merken uns schon vor, dass wir in ca. 2000 Jahren keine Fähre mehr brauchen um von Finnland nach Schweden zu gelangen. An einem kleinen Badestrand mit schon gewohnter Ausstattung richten wir uns ein. Gut, dass Wolfgang sofort das Feuer entfacht, so werden unsere Würstel noch vor dem nächsten Regenguss fertig!
Genau hier verläuft auch der Weitwanderweg Höga Kustenleden und da es trocken ist, wandern wir auf diesem bis zu einer der höchsten Erhebung - Berg kann man fast nicht sagen - den Täcksklippen. Wir haben von hier oben eine schöne Sicht auf die Küste mit den vielen Muggeln, die schon aus dem Wasser schauen. Es sind relativ viele Weitwanderer unterwegs, wovon einige mit Gummistiefeln gehen. Das stell ich mir bei dem doch felsdurchsetzten Gelände nicht so praktisch vor. Dafür bleiben die Füße von außen trocken. Trotz der vielen Leute finden wir eigentlich direkt auf dem Weg noch ein paar schöne Steinpilze. Das Bad nach der Wanderung verschieben wir, zu viele Wolken, zu wenig Sonne. Da fahren wir lieber noch ein Stück in westliche Richtung an den Hultsjön, wo wir eine große Wiese mit Badestrand finden. Als sich dann auch noch die Sonne blicken lässt, schmeckt uns der Sundowner gleich noch besser.
Brrr, ist der See kalt! Schwimmbewegungen schaffe ich nicht, nur zweimal untertauchen und dann raus. Wolfgang schwimmt immerhin drei Meter, das hätte ich nicht gedacht! Unsere Tasche mit Schmutzwäsche quillt über und deshalb haben wir uns einen kleinen Campingplatz ausgesucht, wo es Waschmaschine und Trockner gibt. Unterwegs kommen wir am Döda Fallet vorbei und biegen flink zum Parkplatz ab. Dieser sogenannte tote Wasserfall entstand vor gut 200 Jahren, als ein enormes Unwetter einen darüberliegenden See in vier Stunden auslaufen ließ und die entstandene Flutwelle den Zulauf des Wasserfalls durch Geröllmassen für immer blockierte. Ein Holzbohlenweg führt durch den toten Fall und nach knapp der Hälfte fängt es wie aus Eimern zu schütten an. Wir laufen zu einem Unterstand und warten das Gröbste ab. Leider geht Wolfgang zu früh los, so dass er bei einem erneuten Schauer bis auf die Unterhose nass wird. Gut, dass ich ihm so viel Vorsprung gelassen habe, den ich komm trocken beim Auto an! Als sich die Wolken verzogen haben, starten wir nochmals und dieses Mal geht es gut. Interessant sind die Riesensteine mit einem Loch drin, das entstand, als sich das Wasser in weichere Gesteinsschichten durchgefressen hatte und diese dann nach unten durchgebrochen sind. In Hammarstrand angekommen werfen wir als erstes die Waschmaschine an, bevor wir noch einen kleinen Spaziergang ins Städtchen machen. Dort inspizieren wir auch einen Systembolaget, einen staatlichen Alkoholladen, und sind erstaunt, dass es gar nicht so teuer ist, wie wir dachten. Eine Dreiliterbox südafrikanischer Rotwein für knapp 20 Euro oder eine 0,5l Dose Bier ab 1,10 Euro. Am Zeltplatz zurück begehen wir den Fehler die Wäsche auf die Leine zu hängen, denn durch den plötzlich einsetzenden Regenguss hätten wir uns das Schleudern sparen können.
Als um elf Uhr immer noch nichts trocken ist, knicken wir ein und kaufen noch Chips für den Trockner. In Östersund wollen wir nur mal schnell einkaufen, aber dann gehen wir in den XXL Outdoor &Sports! Eineinhalb Stunden später und mit zwei Paar Schuhen in den Händen sind wir schon wieder draußen. So, nun holen wir aber wirklich noch was zum Essen und danach brausen wir auf dem Inlansvägen, der E45, nach Åsarna. Dort wird in Park4Night bei einem Stellplatz angezeigt: auf einer Schneemobilpiste zu einem kleinen Platz im Wald an einem See, nicht für größere Fahrzeuge geeignet. Na, das ist doch genau das Richtige für uns! Gut, dass die ganze Weißware auf dem Teerplatz an der E45 stehen geblieben ist, so haben wir die traumhafte Stelle ganz für uns allein. Allerdings müssen wir noch ein paar Lichtprobleme am Hiasl lösen - Kennzeichen- und Begrenzungsleuchten gehen nicht - bevor wir nur mehr den Enten beim Schwimmen zusehen.
Also ich glaube, dass die Seen hier immer kälter werden. Heute Morgen, das war schon fast nicht mehr zum Aushalten. Wolfgang hat auch ganz schön geschrien! Ich habe dann doch das Thermometer geholt und im seichten Wasser am Rand hat es 17° angezeigt. Da hatte es weiter drinnen also noch weniger! Durch eine tolle Landschaft mit wenigen kleinen Weilern, vorbei an vielen Seen und alten Bauerhöfen, mit großen Steinen als Fundament und dunkelrot, fast schon ins Schwarze übergehend gestrichen, und plötzlich steht er da: ein Riesenelch! Aber bis wir es so richtig registriert haben, ist er schon ab ins Unterholz. Obwohl wir fleißig nach weiteren Elchen Ausschau halten, entdecken wir leider keine mehr. Kurz hinter Storsjö biegen wir auf eine kleine Piste entlang des Skärkan-Flusses ab. An einer etwas lichteren Stelle steigen wir zum Fluss hinab. Das ist vielleicht ein Rauschen und Gurgeln und so klares Wasser, toll. Kurze Zeit später stehen wir auf dem Flatruet-Pass mit 972 m die höchste, öffentlich zu befahrende Straße Schwedens. Es ist eine weite Hochebene, in der Ferne sind viele Berge, so um die 1300 m, zu sehen, auf denen noch ein paar Schneeflecken vorhanden sind. Doch wir wollen noch ein Stück weiter zu einem Wanderparkplatz, damit wir morgen auf den Ånnfjället gehen können.
Bei bedecktem Himmel ziehen wir los, es ist auch nicht besonders warm, aber das werden wir dann beim Gehen von selbst. Gott sei Dank liegt die Baumgrenze hier so bei ca. 900 m, denn ab da schwirren auch nicht mehr so viele Mücken um uns rum. Der erste Berg mit einem Steinmann drauf entpuppt sich jedoch nicht als unser Ziel, denn der Weg führt weiter und in der Ferne sehen wir wieder einen markierten Gipfel. Vorbei an einem kleinen Bergsee marschieren wir auf diesen hinauf. Und nachdem wir auf dem Grat auch noch ein paar Rentiere sehen, achten wir auch nicht weiter auf die ganzen Wege, die da überall abzweigen. Als wir oben im Wind stehen, staunen wir nicht schlecht, als wir etwas weiter rechts und ziemlich unter uns den Pfad zu einem noch höheren Berg entdecken. Ein Blick aufs Handy zeigt uns deutlich, dass noch ein paar Höhenmeter fehlen. Okay, also runter, rüber und rauf und erst jetzt sind wir auf dem
Ånnfjället 1303 m angekommen. Trotz einer errichteten Steinmauer pfeift der Wind hier so stark, das die Gipfelpause sehr kurz ausfällt und wir gleich runterlaufen. Kurz darauf drehe ich mich um und entdecke auf dem Grat hinter uns drei prächtige Rentiere. Die wollen wir uns natürlich näher ansehen. Also wieder zurück, rauf auf den Grat und dann legen wir uns hinter einem großen Felsblock ins Gras und beobachten die kleine Herde von vielleicht 15 Tieren. Es sind zwei stattliche Hirsche mit riesigem Geweih dabei, ein paar Jungspunde und Kühe mit ihren Kleinen. Das hat uns richtig gefallen! Da der Platz zum Übernachten nicht so geeignet ist, fahren wir noch ein Stückchen Richtung Westen und auf einer Mautstraße hinauf zur Alm Djupdalsvallen.
Man kann von hier einen Rundweg über verschiedene Almen machen oder auf den Mittåkläpp 1212 m gehen. Das Wetter schaut einigermaßen stabil aus und so entscheiden wir uns für den Berg. Unterhalb des Gipfels gibt es hier noch ein größeres Schneefeld und wir staunen nicht schlecht, als wir beim Näherkommen realisieren, dass die schwarzen Punkte darauf lauter Rentiere sind, die sich den Schnee schmecken lassen! Doch das ist für heute nicht die einzige Herde. Eine ganz große zieht unter dem Gipfelaufbau vorbei und obwohl sie nicht laufen, geht es ziemlich flott. Und dann oben auf dem Plateau wird eine große Herde durch Wanderer direkt auf uns zugetrieben. Das schaut erst mal komisch aus, aber dann wie auf Kommando drehen sie links ab und schon sind sie wieder weg. Wow, also für uns war das ein tolles Erlebnis. Der Mittåkläpp steht total frei und wir haben eine Superrundumsicht, leider etwas diesig. Beim Abstieg fängt es zu regnen an, aber wir machen es nun mittlerweile schon wie die Schweden und lassen uns von schlechtem Wetter nicht mehr stören. Zumal wir nun ja endlich wasserdichte Schuhe gekauft haben und Hosen. In Funäsdalen, ein kleiner Skiort, kaufen wir in einem sehr modernen Supermarkt mit tollem Angebot noch ein und fahren bei Regen über eine Lehmstraße in den Rogen Nationalpark. Das war nicht gut, denn als wir aus dem Auto steigen, hat der LKW seine Farbe von Gelb in ein helles Grau gewechselt. Okay, also leere Flaschen rausholen, im Fluss auffüllen und das Auto so gut es geht von dem Batz befreien, denn wenn der antrocknet, dann bekommen wir das so schnell nicht wieder runter.
Da wir heute nicht so richtig einen Plan haben, was wir so machen wollen, fahren wir nach Hede und holen uns im Touristenbüro ein paar Broschüren und beschließen für heute zwei Wasserfälle anzuschauen. Der erste, Mittåfallet, sah auf den Fotos spektakulärer aus, als er in Wirklichkeit ist. Statt eines breiten Falls, ist nur links und rechts je ein etwas dürftiger Wasserfall zu sehen. Der Rändåfallet gefällt uns da schon besser. Wir müssen zwar durch einen mückenverseuchten Wald 15 Minuten ein Tal reingehen, aber dort sind dann viele kleinere Fälle übereinander. Leider haben wir es wegen den Biestern nicht lange dort ausgehalten. Eine schwedische Familie ist uns mit Moskitohüten entgegengekommen. Die haben wir ganz schön beneidet! Da der Wetterbericht für die nächsten Tage ganz gut aussieht, fahren wir noch zum Beginn des Sonfjället Nationalparks auf einen kleinen Grillplatz, denn hier darf innerhalb des Parks nicht übernachtet werden. Und von diesem schönen Platz haben wir auch einen tollen Blick auf den Berg von Morgen!
Die Sonne scheint wieder und so laufen wir vom oberen Parkplatz zuerst auf den kleinen Aussichtshügel Lillefjället, bevor es sehr steil über Geröll auf den eigentlichen Gipfel geht. Er ist 1270 m hoch, trägt aber in unserer Karte keinen Namen. Es bläst hier ein starker Wind und da wir vom flotten Aufstieg verschwitzt sind, gehen wir gleich weiter. Wir klinken uns in die Umrundung des Valmfjället ein. Dabei durchqueren wir einige Klimazonen. Ganz oben gibt es nur mehr große Granitsteine, die mit Landkartenflechten überzogen sind. Diese wachsen in 100 Jahren nur um ca. 1-2 cm! Unglaublich, oder? Danach fristen ein paar Zwergbirken und Krähenschwarzbeeren ihr kärgliches Dasein und noch tiefer kommen dann dichte Teppiche mit Blaubeersträucher, Moorbirken und Heidekraut zum Vorschein. Mittlerweile ist es heiß geworden und wir setzen uns zwischen die Sträucher und genießen die Sonne. Doch von Norden kommen dann graue Wolken und da wir noch ein paar Kilometer zu gehen haben, machen wir uns auf die Socken um nicht nass zu werden. Am Auto rauchen dann dieselbigen! Wir schlafen dann nochmal auf dem schönen Platz von gestern.
Heute ist quasi ein reiner Fahrtag mit Einkauf in Hede. Über relativ gute Feldwege geht es dann durch die Berge hinunter zum Lofssjön, wo wir am südlichen Ufer in Västavallen einparken und mal alle fünfe gerade sein lassen.
Auf der Karte am Parkplatz sehen wir, dass es einen Radweg rund um den See gibt und 42 km ist das genau richtig für heute. Zuerst auf Teer, dann breite Kiesstraße, danach enge Kiesstraße, nun Kiesweg, dann nur mehr Pfad und die letzten Kilometer ein leichter Trail mit viel steilen Auf- und Abfahrten. Hat auch mal wieder Spaß gemacht! Verschwitzt kommen wir am Hiasl an und gehen dann gleich in den gar nicht so kalten See zum Abkühlen. Da uns der Platz zum Stehenbleiben nicht so gefällt, fahren wir weiter Richtung Süden. Wieder geht es über kleine Nebenstrecken auf ein Hochplateau hinauf. Die Blumen blühen, alte Kiefern, deren Stamm schon ganz verdreht ist, stehen vereinzelt rum und ab und zu sehen wir kleine Holzhäuser mit Grasdächern, mal naturbelassen, mal in dem typischen Schwedenrot gestrichen, aber immer mit weißen Fensterrahmen. Es sieht einfach traumhaft aus. Am Harundsjön im Städjan-Naturreservat erreichen wir einen der schönsten Plätze bis jetzt. In einem lichten Kiefernwald stehen eine Unterstandshütte mit Feuerstelle und daneben ein Holzlager und ein Plumpsklo. Es gibt einen kleinen Sandstrand, wo jetzt am Nachmittag noch Familien mit Kindern beim Baden sind. Dann gibt es noch zwei Tische mit Bänken und den nicht zu beschreibenden weiten Blick auf den See und die umgebenden Berge. Wir treffen hier auf ein Berliner Paar, die mit ihrem alten Magirus-Deutz immer hierher kommen, weil auch sie es da so toll finden. Wir verbringen einen netten Abend mit den beiden, tauschen Reiseerlebnisse und Informationen aus und vielleicht treffen wir uns ja wieder!
Nach einem morgendlichen Bad marschieren wir hinüber zur Ulandsstuga, eine Wandererunterkunft. Leider führt der Weg durch ein ziemliches Sumpfgebiet, so dass wir schon bald nasse Füße haben. Da die Sonne heute so richtig runter sticht, sind sie aber bald schon wieder trocken. Zuerst geht es noch recht handsam hinauf, doch dann wird der Weg unangenehm steil, vor allem bei der Hitze. So was sind wir einfach nicht mehr gewohnt! Oben wie immer großes Gestein bis wir endlich auf dem Mulen mit 1197 m ankommen. Wir haben bis hierher drei Stunden gebraucht und fast genau so lange stolpern wir auch wieder runter und durch den Sumpf zum LKW. Einschließlich nasser Füße. Dafür ist der See heute erstaunlich warm und das so weit im Norden!
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